Die Niederländer über sich selbst:
Brückenbauer
Die Niederlande sind eigentlich ein riesiges Flussdelta: Rhein, Maas und
Schelde münden hier ins Meer. Die jahrhundertelangen Anstrengungen
auf dem Gebiet des Wasserbaus haben nicht nur das Landschaftsbild entscheidend
geprägt. Der unermüdliche Kampf gegen das nasse Element hat
sicher auch zur Entschlossenheit der Niederländer beigetragen, wenn
es darum geht, das Unmögliche möglich zu machen.
Da bei der Wasserregulierung stets sehr widersprüchliche Interessen
unter einen Hut gebracht werden mussten, haben sie schon früh gelernt,
Kompromisse zu schließen und eng zusammenzuarbeiten. In internationalen
Organisationen und auch in der Europäischen Union fungieren Niederländer
deshalb häufig als Brückenbauer.
Das Land
Das Königreich der Niederlande besteht aus den Niederlanden selbst
und aus einigen Inseln in der Karibik: den Niederländischen Antillen
und Aruba. Die Niederlande werden oft auch als Holland bezeichnet. Eigentlich
ist dies aber nur der Name einer Region im Westen des Landes, die in der
Geschichte eine wichtige Rolle gespielt hat und deren Gebiet in etwa den
heutigen Provinzen Nord- und Südholland entspricht.
Die günstige Lage am Meer war und ist ein wichtiger Standortfaktor
für die niederländische Wirtschaft. Hinzu kommt, dass zwei bedeutende
westeuropäische Flüsse - der Rhein und die Maas - hier in die
Nordsee münden. Darüber hinaus besitzen die Niederlande mit
Rotterdam den größten Seehafen der Welt und können sich
daher mit Fug und Recht das Tor zu Europa nennen. Dies gilt übrigens
nicht nur für die Schifffahrt. Mit Amsterdam-Schiphol verfügen
die Niederlande auch über einen der größten Flughäfen
Europas.
Die größten niederländischen Städte liegen zwar sehr
nah beieinander, haben sich aber dennoch ihren eigenen Charakter bewahrt.
Amsterdam, Utrecht, Den Haag und Rotterdam sind Teil der sog. "Randstad
Holland", eines riesiges Ballungsgebiets mit über 10 Millionen
Einwohnern. In Amsterdam locken vor allem das historische Zentrum, die
Museen und die malerischen Grachten mit ihren prächtigen Patrizierhäusern
zahllose Touristen an.
Aber auch Den Haag, Delft, Haarlem, Utrecht, Groningen und Maastricht
können mit vielen historischen Bauwerken, Denkmälern, Museen,
Traditionen und Veranstaltungen aufwarten. Rotterdam besticht durch hypermoderne
Architektur, z. B. die Erasmusbrücke, von den Rotterdamern auch "der
Schwan" genannt.
Küstenschutz
Die vielen Brücken, Deiche, Windmühlen und Schöpfwerke
vervollständigen das Bild. Vorläufiger Höhepunkt im Kampf
der Niederländer gegen das Wasser sind die sog. Deltawerke, die nach
der Sturmflutkatastrophe von 1953 im Bereich der Meeresarme in Seeland
und Südholland errichtet wurden. Der letzte Teil dieses gigantischen
Hochwasserschutzprojekts, das Sturmflutsperrwerk bei Rotterdam, wurde
1997 fertig gestellt.
Es besteht aus zwei riesigen, beweglich gelagerten Stahltoren, die bei
Sturmflutgefahr den 360 m breiten Nieuwe Waterweg abriegeln und damit
rund eine Million Menschen vor Überschwemmung schützen, ohne
dass der Natur große Schäden zugefügt werden. Etwa ein
Viertel der Niederlande liegt unter dem Meeresspiegel.
Der größte Teil der "Tiefniederlande" besteht aus
flachen Poldern, also eingedeichten Gebieten, in denen der Grundwasserspiegel
künstlich reguliert wird. Ab dem 16. Jahrhundert wurden mithilfe
von Windmühlen sogar ganze Seen trockengelegt. Heute werden die Polder
mit Schöpfwerken trocken gehalten.
Konfessionen
Nach der Reformation im 16. Jahrhundert zerfielen die Niederlande in einen
römisch-katholischen und einen protestantischen Teil. Die Grenze
verlief etwa entlang einer Linie von der Provinz Seeland im Südwesten
bis zur Provinz Groningen im Nordosten. Der Teil nördlich dieser
Linie war überwiegend protestantisch, der südliche Teil katholisch.
Die Protestanten gliederten sich wiederum in zahlreiche Gruppierungen,
etwa die Reformierten, die freisinnigen Protestanten und die Lutheraner.
Seit dem 17. Jahrhundert leben in den Niederlanden auch Angehörige
des jüdischen Glaubens, vorwiegend Nachkommen von Flüchtlingen
aus Spanien und Portugal. Auch viele Hugenotten flohen vor den Verfolgungen
in ihrer französischen Heimat in die Niederlande. Später kamen
dann Hindus und Muslime aus den ehemaligen niederländischen Kolonien
Indonesien und Surinam. Durch den Zustrom von Einwanderern aus diesen
Ländern, aus Marokko und aus der Türkei hat die Zahl der Muslime
seit den Sechzigerjahren stark zugenommen.
Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts nimmt der Einfluss der Kirche in den
Niederlanden ab. Dieser Prozess der Säkularisierung setzte zunächst
bei den Protestanten ein und erfasste später auch die Katholiken.
Man bekennt sich nicht mehr, wie früher, mehr oder weniger automatisch
zum Glauben der Eltern. Inzwischen ist ungefähr die Hälfte der
Niederländer konfessionslos. Dennoch haben die verschiedenen Glaubensgemeinschaften
in der Gesellschaft nach wie vor großen Einfluss.
Die Religionsfreiheit wurde 1848 in der Verfassung verankert. Außerdem
gilt in den Niederlanden das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat.
Das bedeutet, dass der Staat sich nicht in die inneren Angelegenheiten
religiöser oder weltanschaulicher Organisationen einmischen darf
und umgekehrt. In den Niederlanden gelten die Grundwerte der Demokratie,
der Religions- und Vereinigungsfreiheit, der freien Meinungsäußerung
sowie der Gleichheit aller Bürger, ungeachtet ihrer politischen Überzeugung
oder ihres Glaubens.